Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten – Teil 6

Krankenhaus Berichte eines Verunfallten

neue wissenschaftliche Ergebnisse meiner Klinik-Beobachtungen:

29. Mein Gesicht gab es wohl doch im praktischen Vorratspack. Der OP-Helfer begrüßte mich (wie so viele mir völlig unbekannte Leute schon vorher) mit den Worten: „Sie kenne ich doch! Sie waren schon mal hier.“ Hat was von „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ – Vielleicht sollte ich mich wirklich als diejenige Person ausgeben, für die man mich gerade hält.

30. Nach der OP war mein erster Gedanke, dass man mich bewusstlos gemacht und in ein Land ohne Auslieferungsabkommen verschleppt hat. Der Zweite war: Ich liege in Jerusalem – an der Klagemauer. Dann dämmerte es mir: der Aufwachraum.

31. Die OP-Nachsorge scheint ziemlich heikel zu sein. Auf die Frage „Haben Sie schon spontan Wasser gelassen?“ hob ich mit großen verwunderten Augen die Bettdecke, schaute nach und verneinte. Das genervte Augenrollen der Schwester konnte ich nicht so ganz nachvollziehen.

32. Mein tschechischer Bettnachbar vermacht mir freundlich grinsen all seinen Joghurt und sein Obst. Möglichkeit 1: Es schmeckt ihm einfach nicht. Möglichkeit 2: Er hat mangels der Verständigung nicht protokollierte Lebensmittel-Unverträglichkeiten. Möglichkeit 3: Er kennt das Zeug gar nicht. Möglichkeit 4: Er ist das personifizierte Böse und versucht, mich durch eine autopsietechnisch nur äußerst schwer nachweisbare Lactose- und Vitaminvergiftung umzubringen. (Scheinbar, um an meinen Vorrat an Kinderschokolade heranzukommen.)

33. Das Kruzifix über der Zimmertür hat sich bisher weder gedreht noch ist es mir auf den Kopf gestürzt. Ich werte das als gutes Zeichen.

Ob es bis zu meiner Entlassung noch mehr zu beobachten gibt? Ich bleibe gespannt…

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten – Teil 5

Krankenhaus Alltag Krankenhaus-Berichte eines Verunfallten Teil 5

weiterführende Erkenntnisse aus dem Krankenhaus-Alltag:

24. OP-Hemd und Thrombose-Strümpfe sind altbekannt. Aber diese neumodischen halbtransparenten Netz-Höschen – skurril. Wenig kleidsam, wohl aber effizient. So ein fein gewebtes Netz, dass da scheinbar auch nicht die kleinste Sprotte durch die Maschen geht. Wer weiß, was sich da unter Narkose alles verselbständigt. Kleinvieh macht schließlich auch Mist.

25. Das Schild „Nüchtern“ über meinem Bett kommt – insbesondere hier in Bayern – einer öffentlichen Bloßstellung gleich! Fehlt nur noch mein Name drauf…! Ich fühle mich ziemlich unwohl.

26. Der Pawlowsche Reflex funktioniert. Der Essens-Wagen rollt draußen heran und mir läuft der Sabber wie einer Deutschen Dogge mit der Aussicht auf eine Rinderbeinscheibe. Sie haben mich inzwischen gut konditioniert.

27. Die Toilettenspülung ist eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Die links und rechts in Ellbogenhöhe am Spülkasten angebrachten Drücker betätigt man quasi automatisch, sobald man sich zum Klopapierhalter dreht. Dabei sorgt die ausgeklügelte Wasserführung dafür, dass einem das Vergnügungszentrum wohltuend kühl umspült wird.

28. Die Chef-Visite am Montagmorgen gleicht der Szene der Hausdurchsuchung der römischen Kohorte bei der Volksfront von Judäa in Monty Pythons „Das Leben des Brian“.

Ich beobachte weiter…

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten – Teil 4

Krankenhaus Bericht eines Verunfallten
Foto: rp

Weitere Feststellungen während meines Krankenhaus-Aufenthalts:

19. Ich bin Obelix, der beim Koch der Titanen weilt. Das eine Essen ist gerade verspeist, schon rollt das nächste heran. Bei der anhaltend hohen Frequenz an verschiedensten körperlichen Aktivitäten wie im Bett nach links oder nach rechts rollen, sich aufsetzen und sich hinlegen, erscheint es recht verwunderlich, dass Einläufe hier so gefragt sind. Wahrscheinlich dienen sie eher einer rituellen Reinigung als der Beseitigung einer Verstopfung.

20. Das moderne Elternglück sieht so aus, dass der Neuankömmling beherzt gegen die mütterliche Brust gedrückt wird, ohne dabei angeschaut zu werden. Das Dingelchen darf man bloß nicht zerkucken! Parallel teilt die frischgebackene Mutter der Welt via Smartphone mit, dass sie mit ihrem Traummann nun ihr Wunschkind bekommen hat, während der Vater in Demut vor der Schöpfung (vermutlich) seiner Lenden den Blick auf sein Handy senkt und feststellt, dass sie ihn öffentlich sichtbar verlinkt hat.

21. Wenn die Pflegerin mit der Figur des Michelin-Männchens zu den Latino-Rhythmen aus dem Schwesternzimmer über die Flure tänzelt, bin ich mir unsicher, ob ich auf die Innere oder in die Augenklinik verlegt werden muss.

22. Auf die Frage nach dem Stuhlgang möchte ich manchmal „Ach, der beschissene mit den Krücken reicht mir schon.“ antworten.

23. Die Flüche eines bayrischen Greises, der auf der Bettpfanne hockt, sind mindestens so erheiternd wie die Geräusche, die aus dem edelstählernen Gefäß dringen.

Ich beobachte weiter…

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten – Teil 3

 

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten
Foto: pixabay.com

Neuerliche Beobachtungen und Schlussfolgerungen für meinen Krankenhaus-Bericht:

13. Der Drang zu rauchen überwindet selbst größte Widrigkeiten. Die Sucht nimmt mit Leichtigkeit die Hürde der Sprachbarriere und fördert die Gebärdensprache – ein Ganzkörper-Esperanto quasi. Die Motorik und Koordination steigern sich explosionsartig und man wird zu artistischen Meisterleistungen befähigt.

14. Andere Länder, andere Sitten. …und definitiv auch andere Körpergerüche. Das begleitende Rauchen ist einer positiven Wahrnehmung dieser körpereigenen Pheromone nicht wirklich zuträglich.

15. Die globale Erwärmung ist auch auf Station spürbar. Eine gravierende und alarmierende Erscheinung ist hierbei der rasch abschmelzende Vorrat an Eis- bzw. Kühlakkus. Mit stark anschwellenden Pegelständen in Gelenken und anderen verletzten Partien ist zu rechnen.

16. Die Laune des Pflegepersonals ist umgekehrt proportional zur Anzahl der Patienten-Alarme. Bei dieser Untersuchung besonders hilfreich: ein defekter Rufknopf, der selbsttätig variabel Signal gibt.

17. Als Putzfrau ist man hier am besten nicht über 1,60 m groß und hat einen tiefen Schwerpunkt. Hängt wohl mit der hauptsächlich bodennahen Tätigkeit und den langen Hebeln durch Wischmob und Co. zusammen.

18. Der Trockenbauer, der die Toilettenboxen montiert hat, muss früher Lautsprecher gebaut haben. Die Akustik ist atemberaubend.

Ich beobachte weiter…

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten – Teil 2

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten
Foto: pixabay.com

Meine weiteren Beobachtungs-Ergebnisse im Krankenhaus-Bericht:

7. Der Stoffwechsel funktioniert. Das Bett ist frisch bezogen.

8. Die Patienten-Dusche für Gehandicapte wäre auch was für zu Hause: ebenerdig, ohne Schwelle, mit Sitzgelegenheit und mit Platz für eine ganze (Frauen-)Fußballmannschaft.

9. Das Klistier ist ein Symbiont, der gern im verlängerten Rücken alter Männer lebt, und dort wohl eine Funktion hat ähnlich der des Regenwurms im Boden, getreu dem Motto „Friss, dass Scheiße wird!“.

10. Der Begriff „Rollstuhl“ ist im Krankenhaus recht ambivalent und mit mehreren Deutungsmöglichkeiten behaftet.

11. Ein ordentlicher Furz ist eine durchaus probate Therapiemethode gegen Schluckauf. Natürlich nur als Eigenflatulenz-Kur!

12. Wenn das Hüpfen auf einem Bein mindestens zwölf Wochen dauern soll, sehe ich danach aus wie der Speerwerfer bei Asterix, nur untenrum.

Ich beobachte weiter…

Krankenhaus-Bericht eines Verunfallten – Teil 1

Krankenhaus Bericht eines Verunfallten
Foto: pixabay.com

Im Zuge eines Krankenhaus-Aufenthalts (aufgrund eines Unfalls) habe ich vor einigen Jahren – inspiriert durch meine Bettlägerigkeit und eine damit einhergehende mittelschwere Infektion mit „Grüner Langeweile“ – unter dem Thema „Feldforschungsberichte eines Verunfallten aus einem Münchner Krankenhaus“ einige wissenschaftliche Beobachtungen gemacht und niedergeschrieben.
Für Interessierte gibt’s die hier nochmal zum Nachlesen.

Meine neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse:

1. Dass Erdbeer-Joghurt wie Kotze riecht, hat sich auch in neuerlichen Untersuchungen bestätigt. …und vier Prozent Fruchtanteil auf 125 Gramm Fruchtjoghurt bedeuten: eine Erdbeere im Becher.

2. Löslicher Kaffee ist eine furchtbare Erfindung – zudem, wenn er allem Anschein nach auch noch koffeinfrei ist.

3. Sonnenschein und blauen Himmel aus einem geschlossenen Raum heraus zu betrachten deprimiert nicht minder als Scheißwetter.

4. Das Geräusch, dass der Schmerzmittel-Tropf des Bettnachbarn macht, klingt, als ob er sich einen runterholt und ist nicht gerade schlaffördernd.

5. Eine private Krankenversicherung bedeutet auch, dass man sich autodidaktisch selbst Thrombose-Spritzen setzt. Zum Glück hab ich mir im Laufe der Jahre endlich eine dafür geeignete Bauchfalte angefressen. Funktioniert.

6. Die Metamorphose zum Niedrigenergiewesen vollzieht sich schleppend und nervenaufreibend. Das Herumliegen strengt mich enorm an. – Meine seitens der Schwestern akribisch protokollierten Vitalwerte (Blutdruck, Puls, Temperatur und Stuhlgang) bestätigen mein Empfinden jedoch nicht.

Ich beobachte weiter…